Der lange Emil

"Der lange Emil"
und sein Bruder der "kurze Carl" *

von Hubert Tümmler, Mechernich


O, wie ist es kahl geworden,

und so traurig öd und leer.

Keine Arbeiter sind mehr oben

und der Emil steht nicht mehr.


Hier zu erscheinen, ist für mich eine Pflicht,

denn der Emil vergisst seine Kumpels nicht!


Lange Jahre hab ich euch zugelacht,

nun hat der Grenzschutz mich umgebracht.

Erst warf man Euch raus - dies war nicht schön -

ich musste es mit traurigen Augen ansehn.


Wie war das doch schön, wenn mittags um zwei,

die Kumpels zogen an mir vorbei.

Die fröhlichen Menschen, die gingen geschwind,

nach Hause zu Vater, Mutter und Kind.


So ging es Jahre, jahraus, jahrein,

doch plötzlich blieben alle daheim.

Ein wenig später dann, o Graus,

fuhren sie alle aus Scheven raus.


Still stand auf dem Bleiberg jedes Rad,

ich wußte mir vor Kummer fast keinen Rat.

Weit ins Land konnte ich sehn -

und weit mußten meine Kumpels gehn.

Den Einen zog es ins Jülicher Land,

der andere in Köln neue Arbeit fand.


Als Wahrzeichen von Mechernich war ich bekannt,

in Städten und Dörfen - im weiten Land -

Manch einer hielts in der Fremde nicht aus;

Ihn zog die Sehnsucht ins Elternhaus.

Und konnt er dann aus der Ferne mich sehn,

dann blieb er in stiller Freude stehn,

und rief - auf mich deutend mit einer Hand -

dort drüben - da ist mein Heimatland.


Die schönen Zeiten, die sind jetzt vorbei,

mir ist´s wie euch nicht einerlei.


Dann kam der Tag, groß war der Schmerz,

120 Kilo MT zerrissen mein Herz.

Dies alles ertrug ich ohne Klagen.

und doch hab ich mich tapfer geschlagen.


Der Grenzschutz war auf mich besessen,

Ich glaub, er wird mich nie vergessen.

Erst bohrten sie meine Schuhe an,

und kamen mit Pulverladungen an.


Mein kleiner Bruder, der neben mir stand,

mit dem mich zeitlebens Freundschaft verband -

Der junge Fant, er stand und lachte,

als man mit ihm das selbe machte.


Dann endlich sollte es geschehn,

wir beide sollten runtergehn.

Der Lautersprecher rief "In volle Deckung".

Dann kam ein Knall - jedoch kein Fall.

Wie haben wir beide da gelacht,

ich hab mir vor Freude mal angemacht.


Verbitterte Gesichter beim Grenzschutzheer,

Freude und Frohsinn bei euch um vieles mehr.

Finstren Gesichts zogen sie dann von hinnen,

und wollten am Morgen von neuem beginnen.


Der Mantel der Nacht breitete sich über dem Schlachtfeld aus,

mein Bruder hielt es vor Schmerz kaum aus.

Ihm hatten die bösen, falschen Kunden,

geschaffen tiefe, schmerzende Wunden.

Und als er zu mir um Hilfe klagt,

erhob ich meine Augen zum Himmel und bat,

"Herrgott, schick deinen Wind, ich bitte dich drum,

und wirf meinen kleinen Bruder um."

Er hat meinen Wunsch dann auch erfüllt,

ich glaub mein Bruder hat wenig gefühlt.


Am anderen Morgen zogen sie dann herauf,

und rissen vor Staunen die Mäuler auf.

Das hätten die Kerle sich nicht gedacht,

daß mein Bruder hatte sich selbst umgebracht.


Ich mußte nun alleine Ihre Rache erfahren,

den ganzen Bauch haben sie mir voll Pulver getragen.

So ging es dann den ganzen Tag,

es war für mich eine große Plag.

Und wieder ertönt das Warnungshorn,

die Sache begann noch mal von vorn.

Noch einmal schaut ich ins weite Land,

und sah euch alle, die ihr um mich stand.


Ich nahm von Euch Abschied -

und wußte nun - die Tage des Bleibens, sie sind nun um.


Ein Donnern, ein Bersten erfüllte die Luft,

- mich riss es nieder in die Gruft -.


Dies war das Ende - nun ist es vorbei -

Doch eines sag ich, wer mich vergißt,

der ist nicht würdig,

daß er ein Schevener ist.


*Ich habe den Text aus einer mit Schreibmaschine geschriebenen Version übernommen.
(und sein Bruder der "kurze Carl") habe ich hinzugefügt, damit auch sein Name nicht in Vergessenheit gerät. Holger Lübeck 2017